Entspannungsverfahren

BESCHREIBUNG

Ein adäquater Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung ist für eine reibungslose Funktionsweise des Organismus entscheidend (Vaitl & Petermann, 2004). Phasen der Erholung und Entspannung sollten somit als Ausgleich auf Phasen, welche durch hohe Anstrengung gekennzeichnet sind, folgen. Entspannungsverfahren kommen sowohl in der Prävention und Beratung als auch in der Therapie und Rehabilitation zum Einsatz. Hierbei können verschiedene Methoden mit unterschiedlichen Traditionen, Wirkprinzipien und Zielsetzungen unterschieden werden. Alle Verfahren zeichnen sich jedoch dadurch aus, dass sie eine Entspannungsreaktion herbeiführen wollen. Psychophysiologisch betrachtet kann die Entspannung auf der körperlichen Ebene, der Verhaltensebene und der Ebene der Kognitionen und Emotionen beschrieben werden. Psychologisch betrachtet, steht im Fokus der Entspannung der Wechsel von einem Zustand der Erregung, Spannung oder Unlust in Richtung Beruhigung oder Wohlbefinden (Ruhl, Hach & Wittchen, 2011).

WIRKPRINZIPIEN

Die Wirkmechanismen unterscheiden sich hinsichtlich der kurz- und langfristigen Effekte. Eine Entspannungsreaktion kann bereits bei der ersten Sitzung auf der physiologischen, kognitiven und affektiven Ebene beobachtet werden. Langfristige positive Auswirkungen der Entspannungsverfahren können jedoch nur durch regelmäßiges Üben erreicht werden. Zu den psychologischen Effekten von Entspannungsverfahren zählen unter anderem eine verbesserte Selbstkontrolle in Stresssituationen, eine Sensibilisierung für körperliche Prozesse und die Entwicklung angemessener Kontrollüberzeugungen bei der Bewältigung von körperlichen Belastungsreaktionen (Ruhl, Hach & Wittchen, 2011).

DURCHFÜHRUNG

Der typische Ablauf bei Entspannungsverfahren ist in drei Phasen untergliedert. In der ersten Phase wird mittels therapeutischer Unterstützung der Übungsablauf exemplarisch dargestellt. Die Übung wird zu Beginn bewusst unabhängig von konkreten Problemsituationen durchgeführt, sodass der Patient die Möglichkeit hat, die korrekte Umsetzung zu erlernen. Die Übungssitzungen können sowohl in Einzel- oder Gruppentherapien angeboten werden und finden in der Regel zu Beginn ein- bis zweimal wöchentlich statt. Die zweite Phase ist durch das eigenständige Durchführen des Entspannungsverfahrens in der häuslichen Umgebung des Patienten gekennzeichnet. Die häuslichen Übungen können von schriftlichen Materialien oder CD´s unterstützt werden und sollten – um schnellere Lerneffekte zu erzielen – täglich angewandt werden. Die letzte Phase (Umsetzungsphase) zielt darauf ab, dass der Patient das Erlernte im Alltag als auch in Problemsituationen gezielt anwenden kann. Die beschriebenen Phasen werden jeweils durch eine Vor- und Nachbesprechung mit dem Therapeuten begleitet (Ruhl, Hach & Wittchen, 2011).

PROGRESSIVE MUSKELRELAXATION (PMR)

Die PMR nach Jacobson wurde durch die Entwicklung der systematischen Desensibilisierung von Wolpe bekannt und gilt heute als das gebräuchlichste Entspannungsverfahren. Das Ziel der PMR ist durch die Lockerung von einzelnen Muskelgruppen eine kognitiv-emotionale Entspannung zu erreichen. Bei dem Vorgehen werden zuerst ausgewählte Muskelgruppen gezielt angespannt, um sie in Folge zu entspannen. Ziel hierbei ist es, dass man bewusst lernt, die Zustände von Anspannung und Entspannung in den jeweiligen Körperpartien zu unterscheiden. Es ist wichtig zu beachten, dass es nicht darum geht, sich vollkommen entspannt und müde zu fühlen, sondern dass man sich auf eine bestimmte Muskelgruppe konzentriert, um so den eigenen Körper besser kennenzulernen. Der Ablauf der einzelnen Übungen erfolgt stets nach dem gleichen Vorgehen. Zuerst wird eine bestimmte Muskelgruppe angespannt, um sich dann die Empfindungen - welche mit der Anspannung verbunden sind - bewusst zu machen. Auf diesen Schritt folgt die Entspannung. Während alle Muskeln wieder locker gelassen werden, versucht man sich ebenso auf die Empfindungen dabei zu fokussieren. Die vier Phasen bestehen somit aus dem Einspüren in die Muskelgruppe (ca. 15 Sekunden), der Anspannungsphase (ca. 5-7 Sekunden), der Entspannungsphase (ca. 20 Sekunden) und zuletzt dem Nachspüren (ca. 20 Sekunden). Dieses Entspannungsverfahren dient als Einschlafhilfe am Abend, zum Abbau von Verspannungen im Körper und um sich in unangenehmen Situationen mit Hilfe von kurzen Übungen entspannter und gelassener zu fühlen. Als Voraussetzung für ein erfolgreiches Training ist regelmäßiges Üben (pro Tag ca. 20 Minuten) unerlässlich (Ruhl, Hach & Wittchen, 2011).

AUTOGENES TRAINING (AT)

Das autogene Training nach Schultz ist eine konzentrative Selbstentspannung, deren Ursprünge aus der Hypnose stammen. Der Patient soll mit autosuggestiven Kräften dazu befähigt werden, körperliche und seelische Entspannung herbeizuführen. Hauptziele des AT sind eine bessere Regulation der Körpersysteme als auch eine verbesserte Bewältigung von Stresssituationen durch den Einsatz des Gelernten. Zusätzlich wirkt sich das AT einerseits positiv auf die Lebensqualität und Genussfähigkeit aus und fördert andererseits eine entspannte Grundhaltung. Das heutige Autogene Training besteht aus sechs Grundübungen (Schwere, Wärme, Atmung, Sonnengeflecht, Herz, Stirn) und ist besonders empfehlenswert bei Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen, Leistungsminderung und Schwächegefühlen (Brenner, 1994; Ruhl, Hach & Wittchen, 2011).

IMAGINATION

Bei der Imagination handelt es sich um Vorstellungsübungen mit inneren Bildern. Mithilfe von Imagination und Phantasie können emotionale Erfahrungen ermöglicht werden und Kreativität im Veränderungsprozess angeregt werden. Beim therapeutischen Einsatz von Imagination werden zwei zentrale Behandlungsansätze unterschieden. Bei der Arbeit mit der Vorstellung als alleinige Behandlungsmethode werden Imaginationen dazu genutzt, um psychische Inhalte zu thematisieren. Hierzu zählen beispielsweise die Psychoimagination von Schorr (1981), das kathatyme Bildererleben nach Leuner (1994), die gelenkte Wachtraumatherapie von Epstein (1985, 1992) als auch die eidetische Psychotherapie von Ahsen (1965, 1968). Die zweite Möglichkeit besteht darin, die Imagination als einen Baustein in ein umfassendes Behandlungskonzept zu integrieren. Dies ist zum Beispiel bei der Systematischen Desensibilisierung in sensu nach Wolpe (1958), dem Coping-Imagery nach Meichenbaum (2003) und dem imaginativen Überschreiben von Schmucker und Köster (2014) der Fall.

Grundsätzlich sollen die Patienten zunehmend dazu befähigt werden, Kontrolle über Inhalte, Dauer und Häufigkeit ihrer Vorstellungen zu erlangen, um daraufhin Vorstellungen entwickeln zu können, die positiv zum Veränderungsprozess beitragen (Kim, Echelmeyer & Engberding, 2015). Laut Meichenbaum (1999) befähigen Vorstellungsverfahren den Patienten zu einem Erlangen von Kontrollerleben, zum Aufbau einer alternativen Sichtweise bzgl. des Problems als auch zur Einübung und Festigung von Bewältigungsfähigkeiten.

QUELLEN

  • Kirn, Echelmeyer, Engberding: Imagination in der Verhaltenstherapie, Springer.
  • Ruhl, Hach, Wittchen: Entspannungsverfahren. In Klinische Psychologie & Psychotherapie, Springer.

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