TINNITUS UND HÖRPROBLEME
WAS IST EIN TINNITUS?
- Ein Tinnitus ist eine Hörempfindung, die nicht durch Umweltgeräusche ausgelöst wird. Jeder Betroffene hört einen eigenen Tinnitus. Tinnitus kann sich unterscheiden in der wahrgenommenen Lautstärke, in der Geräuschzusammensetzung und in der Lokalisierung des Geräusches.
- Meist wird eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität berichtet, da sich durch einen chronisch anhaltenden Tinnitus starke Einschränkungen im Alltag ergeben können. Dadurch entsteht ein hoher Leidensdruck bei den Betroffenen.
- Tinnitus als chronischer Stressor kann depressive Verstimmungen, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, das Gefühl der Hilflosigkeit und des Kontrollverlusts sowie Ängste zur Folge haben.
- Ca. 4 % der Bevölkerung leiden unter einem anhaltenden Tinnitus (Dauer > 3 Monate), jedoch fühlen sich nicht alle Menschen mit Tinnitus beeinträchtigt.
WIE ENTSTEHT EIN TINNITUS?
- Mögliche Auslösefaktoren für einen Tinnitus sind ein Hörsturz, Knalltrauma, Entzündungen des Innenohrs, degenerative Prozesse, Stoffwechselkrankheiten und oft eine damit einhergehende Hörminderung. Eine klare Ursachenbestimmung ist in der Regel nicht möglich.
- Tinnitus wird also durch minimale Veränderungen im Hörsystem ausgelöst, die keine körperliche Gefahr darstellen. In 99% der Fälle ist Tinnitus kein Zeichen für eine ernste Krankheit.
- Betroffene beschäftigen sich dennoch ständig mit Fragen und Sorgen rund um die Ohrgeräusche und haben das Gefühl, ihnen hilflos ausgeliefert zu sein. Dies führt zu einer verstärkten Anspannung und Besorgnis, d.h. zu einer Stressreaktion, die wiederum zur Zunahme der Ohrgeräusche führt.
- Alltägliche Stressquellen wie Ärger im Beruf, Konflikte in der Familie oder Leistungsdruck können durch eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Alltagsstress zusätzlich zur Zunahme der Ohrgeräusche beitragen.
WIE WIRD EIN TINNITUS AUFRECHTERHALTEN?
Das Teufelskreismodell des Tinnitus (nach Kröner-Herwig et al., 2010):
WIE ERFOLGT DIE PSYCHOTHERAPEUTISCHE BEHANDLUNG EINES TINNITUS?
Der psychosomatischen Diagnostik und Psychotherapie kommt in der multimodalen Behandlung von HNO-Erkrankungen eine zentrale Bedeutung zu. Gerade bei stressbedingten Belastungen sind der Erwerb von Stressbewältigungsverfahren und der Aufbau von Entspannungsfähigkeit besonders wichtig. Die kognitive Verhaltenstherapie hat in zahlreichen Studien ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt. Wir arbeiten hier v.a. nach dem evidenzbasierten Therapiekonzept von Kröner-Herwig.
In der kognitiven Verhaltenstherapie geht es z.B. um die Bearbeitung von ungünstigen Gedankenmustern (Bewertung der Ohrgeräusche als gefährlich, Steigerung des Stressempfindens bei wahrgenommenen Ohrgeräuschen) und um das Hinterfragen von automatisch auftretenden Gedanken. Die Bewertung und Interpretation von bestimmten Situationen und Reizen, die zur Aufrechterhaltung der jeweiligen Symptomatik beitragen, wird hierbei verändert und im Rahmen der Psychoedukation hinterfragt.
Innerhalb der ambulanten Psychotherapie können folgende Ziele verfolgt werden:
- Vermittlung von Stressbewältigungstechniken: Stress ist oftmals der Auslöser oder Verstärker von Hörsturz, Tinnitus, Hör- und Gleichgewichtsproblemen. Es ist daher besonders wichtig, effektive Verfahren zur Bewältigung von Stress zu erlernen. Hierbei werden u.a. Techniken zur Problemlösung und zur besseren Vorbereitung auf Stressoren („Stressimpfung“) vermittelt.
- Erlernen von Entspannungsverfahren: Als besonders wirkungsvoll haben sich die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, das Autogene Training nach Schultz und Imaginationsübungen aus der Hypnotherapie erwiesen. Sie können die Verfahren kennenlernen und Ihre Kenntnisse in einer Technik vertiefen.
- Veränderung dysfunktionaler Einstellungen: „Nicht die Dinge sind es, die uns beunruhigen, sondern unsere Vorstellungen von den Dingen“, meinte schon der griechische Philosoph Epiktet. Daher ist es wichtig, eigene stressverschärfende Einstellungen („Stressverstärker“) zu identifizieren und zu verändern. Andererseits sollten auch stressreduzierende Einstellungen aufgebaut werden, um neue Wege beschreiten zu können.
- Erarbeitung eines individuellen Störungsmodells: Um einem erneuten Auftreten von HNO-Problemen vorzubeugen, ist es wichtig, deren Auslöser genau kennenzulernen. Gemeinsam erarbeiten wir ein individuelles Störungsmodell, um künftig Situationen besser unter Kontrolle zu haben oder effiziente Bewältigungsstrategien aufzubauen.
- Trainieren von Achtsamkeit und Aufmerksamkeitslenkung: Achtsamkeitstechniken entstammen ursprünglich östlichen Meditationsformen. Durch Aufmerksamkeitslenkung auf den Atem oder die äußeren Sinne wird geübt, sich von belastenden Einstellungen zu distanzieren. Hilfreich ist auch die Kombination mit Übungen zum besseren Genießen und zur Entschleunigung alltäglicher Aktivitäten.
LITERATUREMPFEHLUNGEN UND LESETIPPS
- Ross: Tinnitus – so finden Sie wieder Ruhe, GU