ZWANG

WAS IST EINE ZWANGSSTÖRUNG?

  • Menschen, die unter einer Zwangsstörung leiden, berichten häufig, dass sie eine Handlung wie z. B. das Kontrollieren, ob der Herd ausgestellt ist, sehr lange und mehrmals ausführen müssen. Auch die Beschäftigung mit immer wiederkehrenden Gedanken, Bildern und Impulsen kann viel Zeit in Anspruch nehmen. Dabei werden die Handlungen sowie die Gedanken von den Betroffenen selbst als übertrieben wahrgenommen. Dennoch können begleitend starke Scham- und Schuldgefühle auftreten, die verhindern, dass sich die Betroffenen Hilfe suchen.
  • Durch die vom Zwang geprägten Verhaltensweisen ist es oft nicht mehr möglich, gewohnten alltäglichen Aufgaben nachzugehen. Eine Verspätung beim Arbeitsplatz von mehreren Stunden führt z. B. zu zusätzlichen Problemen mit dem Umfeld. Auch nahe Angehörige werden in die Zwangsabläufe einbezogen und sind oft fester Bestandteil davon. So werden z. B. der Ehemann oder die Kinder dazu aufgefordert, sich zu duschen oder zu waschen, wenn sie nach Hause kommen. Häufig dienen andere Menschen aber auch der Rückversicherung („Habe ich den Herd wirklich ausgemacht?“). Dies ist sehr belastend für die Angehörigen, die oft auch nicht wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen.

WELCHE ARTEN VON ZWÄNGEN GIBT ES?

  • Es gibt viele verschiedene Arten von Zwängen. Zunächst einmal werden Zwangsgedanken von Zwangshandlungen (Zwangsritualen) unterschieden.
  • Zwangsgedanken (aufdringliche Gedanken): Sind Gedanken, die immer wiederkehren und als unkontrollierbar erlebt werden. So denkt jemand vielleicht, dass er obszöne Worte schreien könnte (während einem Konzert, während eines Meetings etc.). Viele Menschen, die Zwangsgedanken haben, erzählen von wiederkehrenden Gedanken oder Vorstellungen, jemandem etwas anzutun (z. B. denkt eine Mutter, sie könnte ihr Kind verletzen) oder tabuisierte Handlungen auszuführen (sich z.B. während der Arbeit ausziehen). Dies ist mit starken Schuld- und Schamgefühlen verbunden und wird als unangenehm empfunden.
  • Zwangshandlungen: z. B. mehrmals kontrollieren, ob die Autotür zu ist, sich die Hände waschen (Waschzwang), Straßenlaternen zählen (Zählzwang) etc. Zwangshandlungen treten oft nach einem Zwangsgedanken auf, um aufkommende Angst zu reduzieren. Wenn eine Mutter denkt, sie könnte ihr Kind verletzen, dann kontrolliert sie z. B., ob alle Messer außer Reichweite sind, um sich zu beruhigen.
  • Zwangsgedanken und -handlungen erscheinen den Betroffenen oft selbst sinnlos oder übertrieben, aber sie können diese nicht unterbinden.

WIE WIRD DIE DIAGNOSE „ZWANGSSTÖRUNG“ (NACH ICD-10: F42) GESTELLT?

  • Entweder Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen (oder beides) an den meisten Tagen über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen.
  • Die Zwangsgedanken (Ideen oder Vorstellungen) und Zwangshandlungen zeigen sämtliche folgende Merkmale: (1) sie werden als eigene Gedanken/Handlungen von den Betroffenen angesehen und nicht als von anderen Personen oder Einflüssen eingegeben; (2) sie wiederholen sich dauernd und werden als unangenehm empfunden, und mindestens ein Zwangsgedanke oder eine Zwangshandlung werden als übertrieben und unsinnig anerkannt; (3) die Betroffenen versuchen, Widerstand zu leisten (bei lange bestehenden Zwangsgedanken und Zwangshandlungen kann der Widerstand allerdings sehr gering sein). Gegen mindestens einen Zwangsgedanken oder eine Zwangshandlung wird gegenwärtig erfolglos Widerstand geleistet; (4) die Ausführung eines Zwangsgedankens oder einer Zwangshandlung ist für sich genommen nicht angenehm (dies sollte von einer vorübergehenden Erleichterung von Spannung und Angst unterschieden werden).
  • Die Betroffenen leiden unter den Zwangsgedanken und Zwangshandlungen oder werden in ihrer sozialen oder individuellen Leistungsfähigkeit behindert, meist durch den besonderen Zeitaufwand.
  • Die Diagnose sollte nur durch einen erfahrenen Arzt oder Psychotherapeuten gestellt werden, der Sie beraten und in der Behandlung unterstützen kann. Bitte wenden Sie sich an einen Arzt oder Psychotherapeuten, sofern Sie den Verdacht haben, an einer Zwangsstörung zu leiden.
  • Zur Ergänzung des klinischen Eindrucks wird die Diagnostik durch Fragebögen wie beispielsweise HZI oder Y-BOCS ergänzt.

WIE ENTSTEHT EINE ZWANGSSTÖRUNG?

  • Die Ursachen für die Entstehung einer Zwangsstörung sind vielfältig. Gewisse genetische und biologische Einflüsse können bei der Entstehung eine Rolle spielen sowie das Auftreten von kritischen Lebensereignissen, wie z. B. eine Trennung, ein Arbeitsplatzwechsel oder der Verlust einer geliebten Person.
  • Erfahrungen im Elternhaus, damit einhergehende Entwicklungen und entstandene Gedankenmuster können zusätzlich relevant sein.

WIE WIRD EINE ZWANGSSTÖRUNG AUFRECHTERHALTEN?

  • Ein Zwangsgedanke führt zu Angst und Anspannung. Um diese Angst zu verringern, werden Zwangshandlungen und Rituale ausgeführt. Die daraus resultierende kurzfristige Entspannung und Angstreduktion führt wiederum dazu, dass das Zwangsverhalten verstärkt wird und sich festigt. Ein Teufelskreis kann entstehen.
  • Zusätzlich besteht oftmals die Angst, dass die Zwangshandlung nicht korrekt ausgeführt wurde. Um diese Angst zu reduzieren, wird die Zwangshandlung mehrfach wiederholt.
  • Bei Zwangsgedanken ist es häufig so, dass Betroffene versuchen, die Gedanken zu unterdrücken, indem sie probieren, nicht daran zu denken. Selbst wenn Menschen, die keine Zwangsgedanken haben, gesagt bekommen, dass sie jetzt nicht an eine grüne Giraffe denken sollen, müssen sie automatisch an eine grüne Giraffe denken. Der Unterdrückungsversuch bewirkt genau das Gegenteil.

Zwangsmodell (nach Salkovskis&Kirk, 1996):

WIE ERFOLGT DIE BEHANDLUNG EINER ZWANGSSTÖRUNG?

  • Zwangsrituale helfen nur kurzfristig, die Spannungszustände zu mildern. Langfristig bestärken sie den Zwang und halten ihn weiter aufrecht.
  • Ziel der Behandlung ist daher, dass die Patienten in einer vertrauensvollen therapeutischen Arbeitsbeziehung lernen, sich angstauslösenden Gedanken und Situationen zu stellen, ohne auf das bisherige Zwangsverhalten zurückzugreifen. Durch die Erfahrung, dass die körperliche Anspannung auch ohne Zwangsritual nachlässt, dass sich bedrohliche Annahmen nicht bewahrheiten und dass die Anspannung bewältigt werden kann, entsteht die Möglichkeit zwanghafte Gedanken und Handlungsimpulse zu hinterfragen und neu zu bewerten.
  • Dieses Vorgehen ist eingebettet in einen mehrstufigen Prozess, in dem zunächst viele Informationen zur Störung und zur subjektiven Krankheitsentstehung vermittelt werden. Begleitend kommen Verfahren zum Einsatz, bei denen die zwangstypischen Gedanken und Einstellungen hinterfragt und verändert werden. Da die Erkrankung mit einem hohen Maß an Anspannung verbunden ist, lernen Betroffene mit Hilfe von Entspannungsverfahren ihre Entspannungsfähigkeit zu verbessern. Am Ende der Therapie werden dann Verhaltensweisen und Strategien erarbeitet, die helfen langfristig gesund zu bleiben und die neuen Verhaltensweisen in den Alltag zu integrieren.

LITERATUREMPFEHLUNGEN UND LESETIPPS

  • Baer: Alles unter Kontrolle. Zwangsgedanken und Zwangshandlungen überwinden, Huber.
  • Lee, Baer: Der Kobold im Kopf: Die Zähmung der Zwangsgedanken, Huber
  • Ecker: Die Krankheit des Zweifelns, CIP-Medien.
  • Emmelkamp, Oppen: Zwangsstörungen, Hogrefe.
  • Fricke, Hand: Zwangsstörungen verstehen und bewältigen, Balance-Verlag
  • Hoffmann: Wenn Zwänge das Leben einengen, PAL.
  • Reinecker: Ratgeber Zwangsstörungen, Hogrefe
  • Crombach, Reinecker: Der Weg aus der Zwangserkrankung, Vandenhoeck & Ruprecht

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